Meistens ist es einem nicht bewusst, dass es uns eigentlich zu gut geht. Dabei haben wir Strom, Wlan, warmes Wasser, eine Heizung, Straßen und es wird die große Toilette draußen benutzt, egal bei welchem Wetter, welcher Temperatur und welcher Tages – oder Nachtzeit. Wir beschweren uns, wenn wir im Winter in ein kaltes Zimmer gehen müssen, weil jemand vergessen hat, die Heizung aufzudrehen, oder wenn der eine Apfel nicht rund genug ist.
Verkehrte Welt, denn hier sieht alles ganz anders aus….

…es beginnt mit dem Morgengrauen. Wenn die Sonne sich so allmählich über die östlichen Bergketten schiebt, krähen die ersten Hähne (die machen hier कुकुरिकु = kukuriku) und schon bald hört man die ersten verschlafenen Stimmen. Das ganze hat einen Grund, denn auf dem Hügel hinter dem Dorf steht ein Wassertank, der von fünf Dörfern gleichzeitig benutzt wird. Sprich, wenn dieser leer ist, weil die Quelle nicht mehr Wasser geliefert hat in der Nacht, gibt es kein Wasser mehr. Deswegen heist es für alle „früh aufstehen“.

Schon bald hört man draußen die Frauen reden und vernimmt das Plätschern des Wassers in den Kanistern. Alle notwendigen Aktivitäten übernehmen, wie jeden Tag, die Frauen und deren Töchter und Söhne. Sobald das Wasser im Haus ist, wird Feuer gemacht um den Tee (चिया = ciyah) zu kochen, was auch dazu führt, dass es im Haus ein wenig wärmer wird. Alle Häuser haben keine Heizung und deshalb schlafen meistens die Tiere unten im Erdgeschoss bei der Feuerstelle und darüber wird gewohnt. Die Böden der Häuser sind aus Lehm und Tiermist, alle zwei Wochen aufgrund der Trockenheit eine neue Schicht Boden aufgetragen werden muss.

Nach dem Tee sieht man des öfteren die Söhne oder die Frauen selbst, als lebendiger Baum oder lebendige Blumenwiese das Futter für die Ziegen, Kühe und Hühner herbeizutragen. Sind die Tiere versorgt und die Familie fürs erste zufrieden, wird Körperpflege betrieben, aber nur dann wenn genügend Wasser vorhanden ist. Meist tut es dann ein Eimer eiskaltes Wasser und ein Seifenblock. Danach geht es für die Kinder in die Schule und für die Damen geht die Arbeit weiter.

Die Felder wollen bestellt werden und so sieht man am Vormittag viele Frauen auf den Feldern unterhalb des Dorfes, welche von Hand gepflügt und umgegraben werden.

Sind auch die Felder erledigt, geht es zurück zum Haus, denn nun wird aufgeräumt und angefangen für die Kinder und Ehegatten zu kochen. Das heist dann natürlich wieder: Gemüse schneiden, Mais kochen, Holz ins Haus holen, Feuer machen und darauf das Stammgericht der Tamang zuzubereiten. Polenta mit Gemüsecurry oder eben Dahl Bhaht. Nach dem Essen wird gespült, von den Frauen und die Kinder gehen zurück in die Schule.

Am Nachmittag wird im kleinen Dorfladen Mehl und Ähnliches eingekauft, zu für unsere Verhältnisse, saubillige Preise.
Sind die Einkäufe im Haus, wird an den Hängen um Lurpung Holz gesammelt, zusammengebunden und im Korb, welcher am Kopf fixiert ist, heimgetragen, denn um vier oder halb fünf gibt es Tee und bis dahin muss wieder Feuer gemacht werden. Wenn dann die Kinder nach Hause kommen, werden meist die Tiere versorgt und der eine oder andere treibt die Tiere auf den Hügel hinterm Dorf.

Da es schon bald Dunkel wird, wird wieder angefangen zu kochen. Währenddessen werden die Hühner eingefangen und eingesperrt. Ist es dann Dunkel, gibt es Abendessen, wobei zuerst alle anderen Essen, bevor die Frau ihr Essen auf den Teller verfrachtet. Gegessen wird mit den Händen. Anschließend wird gespült und mit der Dunkelheit wird es sehr ruhig in Lurpung.

Der Gerechtigkeit wegen schreibe ich noch kurz über den Alltag eines männlichen Dorfbewohners:

Aufstehen
Tee
Rauchen, Raksi, Reden und Kartenspielen
Mittagessen
Rauchen, Reden, Raksi und Kartenspielen
Abendessen
Raksi
Schlafen

Zum Abschluss bleibt nur zu sagen, dass wir uns in Deutschland vielleicht das eine oder andere Mal überlegen sollten, ob es wirklich angebracht ist, sich über Kleinigkeiten aufzuregen. Im Gegensatz zu uns in Deutschland ist jeder mit seinem Leben, dass er hier führt, zufrieden und deshalb begegnen einem die Dorfbewohner deutlich freundlicher und offener als jeder Deutsche. Ich habe hier schon viel gelernt und werde noch sehr viel lernen und empfehle jedem, der sich öfters zu schnell aufregt (wie ich), sich einmal auch nur für zwei Tage hier einzuquartieren.